74 Menschen folgten heute Oberbürgermeister Silvio Witt zu einer kurzweiligen Stadtführung.
OB Witt glänzte mit ungewöhnlichem Fachwissen und versprühte eine Menge Charme, Freundlichkeit und verkörperte eine große Liebe zu seiner Stadt. Die Stadtführung, garniert von vielen kleinen Geschichten, startete 13:00 Uhr am Marktplatz, ging weiter über die Stargarder Straße, Neutorstraße, 5.Ringstraße und endete auf der Turmstraße/ Ecke Wartlaustraße. Früher wohnten 16.000 Menschen innerhalb der Stadtmauer,erwähnte Witt, heute wohnen 3000 Neubrandenburger in der Innenstadt- aus städteplanerischer Sicht wäre solche Bevölkerungsdichte und entsprechende Bebauungsdichte nicht vermittelbar. Während der Stadtführung sprach der Oberbürgermeister über Denkmalschutz und die unterschiedlich langen Gewänder der Adorantinnen am Neuen Tor. Nach der Erstürmung von Neubrandenburg im Jahre 1631 blieben nur noch 100 Neubrandenburger übrig…. Mit einem Augenzwinkern bemerkte Witt: „Wenn sie Ur-Neubrandenburger sind, sind wir garantiert miteinander verwandt“. Damals , so erwähnte Witt, durfte der Neubrandenburger Bürgermeister auf dem Wall sein Vieh weiden lassen, wovon er heute jedoch dankend Abstand nehme. Dann wurden die Neubrandenburger Parkbänke vom Oberbürgermeister thematisiert. In den 70er Jahren war Neubrandenburg die jüngste Stadt Deutschlands mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren, jetzt liegt das Durchschnittsalter bei 45 Jahren, was er ja auch genau erkenne, wenn er in die Runde seine Gäste schaue…. er hatte mit dieser Bemerkung die Lacher auf seiner Seite und viele ältere Damen fühlten sich geschmeichelt. Immer wieder nutzten die Menschen die Gelegenheit, die eine oder andere persönliche Frage an Herrn Witt zu stellen- egal, was gefragt wurde, die Antwort war immer zufriedenstellend für den Fragesteller. Dann wurde der Faden und die Thematik der Bänke wieder aufgenommen. Im Rahmen einer Ausschreibung, so erzählte der OB es, wurde ein bekannter Architekt aus der Entstehungszeit der Plattenbauten gefragt, was er als besonderes an Neubrandenburg in Erinnerung habe. OB Witt bekam jedoch nicht eine erwartete Antwort- der See, die Stadtmauer oder die Vier Tore, nein! Die Erinnerung des Architekten waren Menschen, die auf einer Bank sitzen- der typische Neubrandenburger sitze gerne.. und da damals alle jung waren, benötigte keiner eine Lehne. Diese rührige Geschichte und das aktuelle Neubrandenburger Durchschnittsalter von 45 Jahren wurde zum Anlass genommen, Neubrandenburger Bänke nunmehr immer mit einer Rückenlehne zu bauen. Schon wieder hatte der OB die Schmunzler auf seiner Seite. „Viele Neubrandenburger finden es gelungen, dass an den Bänken ein Stadtlogo prangert, andere meinen, sie wissen schon, dass sie in Neubrandenburg wären und könnten getrost auf die Symbolik verzichten“, sagte Witt anschließend. Das brachte wiederum innovative Köpfe auf den Gedanken, in Berlin etwas Neubrandenburger Stadtmarketing zu betreiben: Neubrandenburg wird unserer klammen Hauptstadt eine Bank mit dem Neubrandenburger Stadtlogo schenken.
Anschließend philosophierte Silvio Witt über die Kostenfalle Papierkorb, denn jeder neue Papierkorb(besonders die modernen interaktiven 240 Liter-Mülleimer) erzeuge zusätzlichen Müll, weil halt viele andere Dinge in die Körbe schmeißen- vom Gartenabfall bis hin zu Elektroschrott. Die neuen 240-Liter-Papierkörbe werden im Innenstadtbereich täglich morgens und abends geleert. Insgesamt gebe es im Innenstadtbereich ca. 150-200 Normalpapierkörbe. Eine Leerung koste die Stadt Neubrandenburg im Schnitt 2€. Ein gebührenfinanziertes Verursacherprinzip könnte eine mögliche Lösung sein, die ausufernden Kosten in den Griff zu bekommen.
Auf der Turmstraße angekommen, spricht der Oberbürgermeister über den Baufortschritt des Rathauses. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich aufs neue Rathaus, denn vor der Sanierung war die Wärmedämmung so mangelhaft, dass im Sommer 30 Grad herrschten und im Winter ohne Heizlüfter durchaus Minusgrade in den Dienstzimmern herrschten. Ursache war die marode Wärmedämmung und kaputte Fenster. 21 Mio kostet die Rathaus-Sanierung.
Die 400 Büros haben nun moderne Fenster mit 3-Fach-Verglasung und innenliegender Jalousie. Diese Baukosten hatte man eingeplant, doch es gäbe immer wieder Posten, mit denen keiner gerechnet hatte. Als Beispiel führte der OB 48 Brandschutztüren auf, welche in der Bausubstanz verbleiben sollten. Da es aber keine Ersatzteile mehr gibt, mussten auch sie später doch noch ausgetauscht werden. Oder: Nach dem Rathausumbau wird das neue 24 Quadratmeter-OB-Büro in der 7. Etage mit Blick auf die Turmstraße und die Konzertkirche sein. Das alte OB-Büro befand sich in der 3.Etage mit Blick auf den Netto-Parkplatz. Viele Gäste des OB konnten diesem Ausblick irgendwie nichts positives abgewinnen. Das neue Büro wird also die Stadt Neubrandenburg wesentlich schöner repräsentieren. Doch auch hier lauerten ungeahnten Kosten: Weil der Baukörper durch das herausnehmen von Wänden verändert wurde, musste aus statischen Gründen eine Stahlkonstruktion bis in den Keller verbaut werden- 30.000 € Mehrkosten. Dem Rathausumbau folgen der 2. Bauabschnitt (die Kantine) und der 3. Bauabschnitt (Außenanlage mit Brunnen).
Ein Besucher fragte beim Anblick des Rathauses, ob denn das alte Stadtwappen, das am Vier-Tore-Hotel hing, einen neuen Platz am Rathaus finde. Das verneinte Witt (Abmessungen und Gewicht des Kunstwerkes lassen wenig Möglichkeiten offen), verriet jedoch, das dieses symbolträchtige 6-Meter- Wappen pünktlich zur 775 Jahrfeier installiert werde. Anders liege der Fall beim Karl-Marx-Denkmal. Als das Marx-Denkmal auf einen neuen Sockel gestellt werden sollte, hatten Planer große Angst, die massive Bronzeplastik wäre zu schwer. Der Bildhauer Walter Preik konnte alle Skeptiker beruhigen und erklärte: In der DDR war Bronze Mangelware, so dass viele Künstler für ihre wirklich wichtigen Projekte an anderen Bronzegüssen sparten. So wurde auch damals an Karl Marx gespart- der Bronzeguss wiege nur 330 kg und sei von minderer Qualität, erwähnte Preik.
Zurück im jetzt und beim Thema Vandalismus erzählte OB Witt, die Reparatur der abgesägten Hand werde locker 6-8.000 € kosten (die Hand wurde nicht gefunden). Die Finanzierung wäre nur durch einen Spendenaufruf möglich gewesen. Ein nicht genannter Mäzen aus Berlin hörte von der Geschichte und löste mit der Überweisung eines großen Betrages das finanzielle Problem.
Wo im Winter die Weberglockentanne steht, beendete OB Witt seine Stadtführung. Er nutzte die Gelegenheit, seine Zuhörer zu animieren, jegliche Ideen an das Festkomitee der 775-Jahr-Feier heranzutragen. Neubrandenburg freut sich immer über Bürgerengagement.
„ Noch einen schönen 1. Mai und vielen Dank, dass sie dabei gewesen sind“, verabschiedete sich Oberbürgermeister Silvio Witt.