Am 10.Januar 2022 begann der Abriss des Kutscherhauses- abends stand nur noch das Erdgeschoss. Zwei Tage vergingen; am 12.01.2022 waren vom kleinen Fachwerkhaus nur noch sortierte Bauschutthaufen übrig. Das Kutscherhaus stand ursprünglich auf der Denkmalliste der Stadt Neubrandenburg. Wie man in Neubrandenburg mit historischer Bausubstanz umgeht, stößt vielen geschichtsbewussten Neubrandenburgern richtig sauer auf.
Gebäude, die sich im städtischen Besitz befinden, lässt man verfallen und schiebt dabei Denkmalschutz oder Naturschutz den schwarzen Peter zu. Beispiele sind die Gaststätte Nonnenhof, das Fischerhaus auf der Fischerinsel, das historische Ringlokschuppenareal oder auch die Baulücke in der Großen Wollweberstraße (zwischen 17 und 21). Ohne finanzielle Förderung oder ein gutes Nutzungskonzept passiert oftmals zu wenig, um die Gebäude zu erhalten. Es beginnt mit dem Verfall der Dachrinnen, dann gehen Dachziegel zu Bruch, das Wetter nagt unbarmherzig an der Gebäudestruktur und oftmals wüten Vandalen im unbewachten Areal. Eigentümer ohne finanziellen Background verzweifeln. Andere spekulieren, um nach 10 Jahren riesige Gewinne steuerfrei einzustreichen. Hinzu kommen offizielle Bebauungspläne, die manchmal ein großes Hindernis für private Investoren darstellen. Während die Luhmannvilla, Vierrademühle oder das Revier um den Güterbahnhof eine Augenweide wurden, gibt es das Kutscherhaus nun nicht mehr. Die Streichung aus der Denkmalliste(im PDF-Dokument der Stadt auf Seite1) und der Verkauf gingen dem Abriss voraus. Das Fachwerkhaus war nicht mehr zu retten, so wird gesagt. Mit genügend Ausdauer und entsprechend Geld+Förderung wäre es schon gegangen! Ein Vergleich mit einem restaurierten Oldtimer hinkt zwar, aber in unser heutigen Zeit zu sagen „geht nicht“… das gibt es nicht! Schließlich feierte sich Neubrandenburg im Oktober 2021 noch als Leuchtturm der Städtebauförderung.
Keine 500 Meter vom ehemaligen Kutscherhaus entfernt, verfallen die nächsten historischen Gebäude- das historische Ringlokschuppenareal.
Für den Bürger sind die Eigentumsverhältnisse nur nebulös nachvollziehbar. Fakt ist, dass die Deutsche Bundesbahn nach vielen Jahren des Leerstandes die Immobilie veräußerte. Fakt ist auch, dass ein geplanter Fitnesspark eines privaten Investors an diversen Hürden scheiterte. In diesem Zeitraum wurden bekanntlich die Bahnsteige des Neubrandenburger Bahnhofes umgebaut und die Unterführung neu errichtet. Die Bahn lagerte das gesamte Baumaterial auf dem Lokschuppenareal und zahlte dafür vermutlich erquickliche Lagergebühren. Da das Lokschuppenprojekt des privaten Investors scheiterte und die Stadt erneut die Immobilie erwarb (oder auch nicht?), fragt man sich schon: An wen floss das Geld, an die Stadt oder an den privaten Investor ? Hat die Stadt Geld „verschenkt“ und zusätzlich den Verfall des Lokschuppenareals in Kauf genommen? Ohne einen konkreten Blick ins Grundbuch sind all diese gestellten Fragen und dargestellten Vermutungen höchst spekulativ. Wie es mit dem Lokschuppenareal weiter geht, wird nach der morgigen Bürgermeisterwahl und der Entscheidung unserer Stadtvertreter, wo Neubrandenburgs neue Schwimmhalle entsteht, recht schnell entschieden werden. So oder so ist es wichtig, einen Konsens zu finden, um unsere Stadt Neubrandenburg weiter zu entwickeln und endlich den Stillstand zu beenden.
Die Frage steht wie ein rosa Elefant im Raum: Droht dem Ringlokschuppen das selbe Schicksal, wie dem Kutscherhaus?